1991 spielten wir "Das Nest" von Franz Xaver Kroetz.
Das Zwei-Personenstück war für mich eine der wichtigsten
Produktionen, seit ich Mitglied des Theaters bin.
Ein junges Paar baut sich eine Existenz auf. Die
Frau erwartet ein Kind. Er arbeitet als LKW-Fahrer und macht Überstunden,
um den Lohn aufzubessern. Dass das Geld knapp ist, zeigt sich beim
Durchrechnen der Anschaffungen für das Baby. Der Chef hat einen Spezialauftrag
für den Mann, den dieser wegen des Geldes annimmt. Er muss am
Wochenende Fässer in einem See entsorgen. Gerade dort geht die Frau
mit dem mittlerweile geborenen Söhnchen baden. Der Mann geht schließlich
zur Polizei und deckt die Geschäfte mit den giftigen Fässern
auf. Der Bub wird wieder gesund. Interessant war für mich neben dem
Umweltthema die Art der beiden mit verschiedenen Zwängen umzugehen.
Ein junges Paar, das am Anfang steht, braucht Geld. Um es zu bekommen,
muss man arbeiten. Die Bedürfnisse steigen, der Mann muss
zum Wohle der Familie mehr arbeiten. Er sieht den Sohn nur schlafend oder
am Wochenende. So stellt er sich das Familienleben zwar nicht vor, aber
später soll es besser werden. Das kennen wir doch oder?
Vom
Schauspielerischen habe ich bei dieser Produktion sehr viel gelernt. Es
war nicht leicht alltägliche und banale Situationen auf der Bühne
darzustellen, ohne dass sie gekünstelt wirken. Eine Herausforderung
war die Darstellung der unterschiedlichen Stimmungen und Phasen des Mannes:
Die Vorfreude auf das Kind, der Optimismus einer gesicherten Zukunft,
die Freude über den Sohn, die Verantwortung des jungen Vaters für
die Familie. Intensiv war es, die Betroffenheit des Vaters nach dem Vorfall
darzustellen, die Selbstvorwürfe bis hin zum Selbstmordversuch. Interessant
war es, die Beziehung des Arbeiters zum Chef herauszubringen. Der Chef
war lange die Wohltäterfigur, die indirekt die Familie am Leben erhielt.
Der Chef war der, der es gut meinte, aber de facto der, der ihn bis hin
zum Kriminellen ausnützt. Die Entscheidung zu treffen, den Chef anzuzeigen,
war auch im Spiel befreiend.
Es gäbe noch viel zu sagen. Ich beschränke
mich aber darauf: es war eine kleinen feine Produktion, bei der ich und
auch die Zuschauer viel mitnehmen konnten. |